Der Tod in Phasen, die Länge eines Lebens und die Konsequenzenlosigkeit der Dinge

Fangen wir mit dem Wichtigsten an: Am 1. Oktober erscheint „Die Konsequenzenlosigkeit der Dinge“ auf allen üblichen Download und Streamingportalen. Es ist das erste Soul in Sadness-Werk mit neuem Material seit „Hier und am Leben“ im Jahre 2012 und ich kenne meine Zahlen – Hier und am Leben hat jetzt nicht die Welt bewegt und das ist okay.

Warum dauert das so lange?

Ganz einfach. Ein Wort: Schreibblockade! Ideen für das Nachfolgewerk von ZwischenWelt hatte ich bereits bevor ich bei Soulimage eingestiegen war. Es sollte eine EP werden, fünf Tracks, und diesmal nichts romantisches, persönliches. Ich wollte die Fünf Phasen des Sterbens nach Elisabeth Kübler-Ross vertonen. Soweit ich wusste ein relativ seltenes Konzept, mir ist ein Doom-Metal-Werk gleichen Inhalts bekannt. Die Fünf Phasen sind in der Tat so bekannt, dass es eine Simpsonsfolge gibt, in der Homer Kugelfischer isst und sich darauf hin auf sein Ende vorbereitet.

Dante Gabriel Rossetti – The Death of Lady Macbeth (Quelle)

Es ergaben sich im Verlauf dieses Konzeptes zwei Probleme: Kübler-Ross hat in ihrem späteren Leben sehr viel esoterisches Zeug veröffentlich. Das ist ihr gutes Recht, aber als wissenschaftlich-kritischer Mensch hätte ich ein wenig Bauchweh.

Das größere Problem: Soul in Sadness ist – fatalistisch betrachtet – seit „Fernweh“ eigentlich nur noch etappenweise vor sich hingestorben. Ein One-Hit-Wonder mit Nachhang sozusagen. Das einzige was immer gleich blieb waren die Trolle und auch wenn „man eben für ein Leben in der Öffentlichkeit gewappnet sein muss“ – Bullshit! Und so war die Erkenntnis das es „eh niemanden mehr interessiert“ eine willkommene Ausrede einfach gar nichts zu machen. Da sitze ich eben rum und tue gar nichts, the world is my oyster.

2020 war das Jahr der Digitalisierung

Das änderte sich erst mit den Pixel Mixers, der EP „Strangest Winter“ (Coverversionen! Für die Werke von anderen kann mich niemand anmachen!) und dem Hochladen meines Backkatalogs. Mit Freude stellte ich fest, dass „Tote Seelen Lieben nicht“ auf Spotify schon lange ein mittelpopuläres Eigenleben führte, hauptsächlich durch Goths aus Mexico. (Muchas gracias <3)

Nun passierten 2020 ja so einige Dinge und wenn die Pest des 21. Jahrhunderts eine gute Sache hatte: Wir wurden plötzlich notgedrungen besser darin, uns digital zu vernetzen. Ein Nerd wie ich, ein Nerd wie Du, abgeschnitten und zur Vorsicht für alle alleingelassen hatte fast keine andere Wahl als im Netz nach gleichgesinnten zu suchen.

Spinnst Stroh zu Gold / Du stapelst Blöcke / Das Hirn ist abgelenkt

Und so lernten wir alle schnell irgendwas neues. Handarbeit, Kunst, neues Instrument lernen (bei mir war es Blockflöte) was auch immer. Hauptsache das Gehirn ist abgelenkt.

Und während ich mich den Pixel Mixers anschloss um das Handwerk der Musik geschmeidig und aktuell zu halten, Let‘s Play Vol.1 – eine Sammlung von Videospielmusik erscheint- legte sich allmählich die erste Panik, inzwischen waren wir fast alle geimpft und hatten zwei Todeswinter hinter uns. Ich sah im Frühjahr 2022 zum ersten Mal in meinem Leben meine Lieblingsbands live.

And I am running through the snow towards the sunset / And I am always with you

Was ich eigentlich schon im November 2019 vorhatte und Karten hatte, aber dann wurde ich krank. Ärgerlich aber nicht schlimm, die nächste Tour kommt bestimmt bald…. Nunja. „Erst wenn ich das Intro von Fairwell to the Fairground höre, ist für mich die Pandemie vorbei“ sagte und twitterte ich zu der Zeit immer wieder. Leider hat der markante Schlagzeugrhythmus nicht die Pandemie beendet. Aber in mir regte sich etwas. Etwas Gutes. Und wieder einmal wurde daraus.

…. Absolut gar nichts 🙁

2022 – War was?

Eigentlich mag ich Menschen. Ich arbeite mit Menschen, ich glaube ich mache das ganz okay. Ich mache mir Gedanken über Menschen, die mit Menschen arbeiten, damit Menschen, die mit Menschen arbeiten mehr Zeit haben Menschen zu sein, was schließlich auch den Menschen zu Gute kommt die temporär oder permanent von Menschen abhängig sind, die mit Menschen arbeiten.

2022 begann man damit zu beschließen dass die Tage der verordneten Introvertiertheit jetzt aber endlich mal gut sein müssten. Alles zurück auf Anfang. Fernunterricht? HomeOffice? Die wenigen Dinge, die man mit kritischer Betrachtung und zwangloser Optimierung zur Lebensqualität beibehalten hätte können? Achne! Weg mit dem Dreck. Es ging uns ja gut und überhaupt sind da oben immer Schuld.

In der Zeit hab ich mich plötzlich Dinge getraut. Mit den Pixel Mixers mit Vorliebe Lieder Covern, die Lyrics haben? Ich glaube, ich konnte mal ganz gut singen. Ab damit. You want your freedom? Take it!

Doot Metal gehört zu den Genres, die als Wortwitz begannen und dann wurde es geil!

Wer digital Musik macht kommt immer wieder ein der eigenen Dateistruktur vorbei. An all den angefangenen Dingen. Blöcke, Harmonien, Akkordfolgen, Konzepten.

Bemerkenswert hier vielleicht noch die „Medizin“-Triologie, die mit einem Weihnachtslied das Jahr 2022 beendete. Eine Version von „God rest ye merry gentlemen“ mit Bezug auf das RSV Virus. Getextet von der wunderbaren Sugamma Hex und produziert und der wunderbaren Nini Bela und mir. Ein nicht ganz rundes Stück aber wenn eh alles egal ist eine sehr willkommene Verrücktheit (https://vm.tiktok.com/ZGJWXKxcN/)

Neben der Verrücktheit der Welt kam noch ein anderer Punkt hinzu, der leider im hohen Maße Nicht-Trivial ist: Ich kann nicht ordentlich arrangieren! Geht mal zurück und hört Euch die ersten Alben an. Da ist alles so aufgebaut, dass ein fast fertiges Lied am Computer entsteht auf das dann noch Gitarren, Flöte, Gesang drauf kommen. Wie zur Hölle schreibt mensch ein Lied mit der Gitarre oder am Klavier?

Diese Frage beantwortete ich mir dann selbst irgendwie. Und zwar durch die Power von 16-Bit.

Bedeutet das, ich soll einfach alles, was ich vorhabe vorher als Noten niederschreiben? Die Videos von Tantacrul, inzwischen dem Projektmanager der freien Notationssoftware Musescore, haben da sehr geholfen. Aber gehts noch ein Stückchen kleiner?

Und wie Bastian Balthasar Bux, der am Ende das Aurin ablegt und so zu den Wassern des Lebens gelangt nahm ich im Sommer 2023 die Gitarre in die Hand und spielte einfach alles ein was in dem Moment in meinem Kopf gut und richtig klang.

Der Tod in Schnipseln

Was als Konzept-EP über die fünf Phasen des Sterbens begann war überraschenderweise plötzlich eine wunderbare Grundlage. Aus dem „Nicht Wahrhaben Wollen“ wurde „Der ewige März“, eine Bestandsaufnahme darüber dass sich alles verändert hat auch wenn das niemand wollte und es möge doch bitte wieder alles werden wir früher.

„Die Konsequenzenlosigkeit der Dinge“ – ehemals die Wut – eine Anklage über die Monotonie des Daseins und hier und da ein wenig Politik und Treten nach oben. „Wir brauchen Kerzen“ – ehemals Feilschen ist ein komplett kaputtes Stück in 7/8 und lokrischer Tonleiter (angeblich ein Modus in dem man keine Musik machen könne) und die Depression wurde „Das Leben ist zu lang“ und wahrscheinlich das einzige Lied, das in beiden Versionen – der hypothetischen und der tatsächlichen – der EP genauso funktioniert wie es soll. Das Gefühl, dass die Tage sowohl zu lang als auch zu kurz sind. „Bis es weiter geht“ – die Akzeptanz – rundet das ganze Ding ab. Weniger Weltschmerz, mehr Ratlosigkeit. Die Welt ist verrückt. Schlafe gut, schlafe lang.

Textlich: Alles gegen die Wand werfen. Die Lyrics bestehen aus Insidern, Gesprächen aus Gruppen oder DMs, am markantesten womöglich die Textzeile die ein Arbeitskollege über die Gattung der Pferde gesagt hat.

Und nun?

Irgendwie ist es mir egal. Das Werk existiert. Es kommt am 1. Oktober raus. Es ist alles wichtige drin. Ich bin okay mit dem Sound, ich mag die Instrumentierung. Es ist alles draussen und in der Welt was ich sagen wollte. Es ist zweimal ein freundliches Winken an zwei sehr geschätzte Künstler drauf. Das Werk existiert. Gemäß „Death of the Author“ – eine Theorie, bei der ich sehr lange gebraucht habe um sie zu verstehen – ist meine Intention ab jetzt egal. Was die Hörenden empfinden wenn sie es hören ist genauso relevant wie das, was ich „damit sagen wollte“.

Aber: Ihr habt bis hierher gelesen und ich hab habe einen kleinen Fehler gemacht. Spotify, Amazon, Apple usw. macht alles mein digitaler Vertrieb, Bandcamp musste ich selber machen und habe wohl einen Button übersehen. Ihr wollt die EP jetzt schon haben? Also Downloaden? Ich werde Euch nicht aufhalten.

An dieser Stelle habe ich keine Worte mehr. Einfach danke, an jede Person, die das hier liest, das DU immer noch da bist.

Die Musiktheorie von „Let’s Play, Vol.1“

LPV1 ist erschienen und ist eine Sammlung meiner vergangenen VGM-Cover und zweier neuer Stücke. VGM steht für Video Game Music, ein recht unspezifisches Genre, weil es nur die Verwendung aber nicht den eigentlichen Stil beschreibt. Entsprechend wild ist die Szene der VGM-Remixer und -Coverer. Alles ist erlaubt.

Ich habe bereits darüber gebloggt und gevloggt, wie sehr mich der 7/4 Rhythmus von Majoras Mask damals überfordert hat. Aber wenn man diese Schwelle einmal übertreten hat, dann beginnt man zu experimentieren. Und man probiert Dinge aus, weil das Stück an sich schon geschrieben ist und die Aufgabe nur darin besteht, die Musik nach eigenem Willen zu verbiegen!

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Making of: „Strangest Winter“

Fangen wir mit den wichtigem Teil an: Am 20. November 2020 erscheint eine Mini-EP mit drei Coverversionen, die ich im letzten Jahr gemacht habe.

Ja. Damit reihe ich mich ein in hunderte Musiker, die in dieser seltsamen Situation, in der wir alle seit März stecken, plötzlich wieder kreativ geworden sind. Irgendwas muss man ja tun mit seiner Zeit.

Wie ist es letztendlich dazu gekommen? Wie Early Winter und Water through Sand entstanden sind, habe ich ja bereits hier auf dem Blog beschrieben. Für den Rest müssen wir eine kleine Zeitreise machen.

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And the rain keeps coming down

„Heute ist Karfreitag, stört es dich wenn ich die Johannes Passion von J.S. Bach bei der Arbeit höre?“ ist ein typischer Satz, den man kennt, wenn man mit mir zusammenarbeitet. Musik ist wichtig. Vor allem in einsamen Nachtschichten wenn es draußen ruhig ist und man entweder zu viel oder zu wenig Arbeit hat. Filmsoundtracks, Videospielmusik, klassische Musik wabern leise aus dem Arbeitszimmer der Pflege leise über den Flur ohne jemanden zu wecken, mit der Aufgabe mein Gehirn entspannt aber wach zu halten.

An meiner ersten Arbeitsstelle gab es Doppelstationen, die Stationszimmer waren Rücken an Rücken und meine Kollegin von nebenan kam nach ihrem Rundgang mit besorgtem Blick zu mir herüber und meinte in ihrer herzlich niederbayerischen Art „Stefan, des geht doch niad, dos Du de ganze Nacht dahockst und so a traurige Musi herst. Is irgendwos?“. Als erstes: Das ist echt Kollegialität und Empathie! Als zweites: „Du wuist mir also sagn das des Musik is, die du hörst wennsda gut geht?“ Ja. In dieser Nacht liefen ganz untypisch, The Cure, White Lies und das Album Exorcism von Bella Morte. Alles drei Rockbands mit einer gewissen klanglichen Tiefe, es rockt nicht nur, es schwebt auch und ich liebe es.

Auf dem Album Exorcism ist eines meiner Lieblingslieder überhaupt. Water Through Sand.

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Looks like an Early Winter

Keine Ahnung, wie oft ich es versucht habe. Ich kann mich zumindest an einen Versuch erinnern, den ich einigen Kurskollegen*innen während meiner zweiten Ausbildung vorgespielt habe, es muss also irgendwann zwischen 2011 und 2014 gewesen sein und wahrscheinlich kurz nachdem ich „Hier und am Leben“ fertig hatte.

Ein Lied – zunächst bekannt geworden durch Gwen Stefani – mit einem ziemlich coolen Wechsel von der Bridge in den Refrain. Nach etwas Googlen dann die Erkenntnis: Die hat der Keyboarder der Band Keane geschrieben – eine Band, die in UK groß und bekannt war, in Deutschland wie so üblich nicht besonders. (Wir haben ja Xavier Naidoo und all die anderen „Pop-Poeten“, erinnert mich daran, dass ich über diese Ergüsse bei Gelegenheit ein Tantrum verfasse!)

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